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Von der Modeschöpferin in Paris zur „Kräuterhexe“ im Burgenland


Gabriele Vamos lebt ein Aussteigerleben der etwas anderen Art. Die Mode-Welt von Paris, Moskau und Wien gab sie zu Gunsten eines Lebens im winzigen Buchschachen auf. Ein ungewöhnlicher Weg der zeigt, dass weniger oft mehr sein kann.
Es ist ruhig in Buchschachen. Der kleine Ortsteil der Gemeinde Markt Allhau im Südburgenland wirkt familiär. Auf der Straße kennt jeder jeden. Und alle kennen Gabriele Vamos. Sie ist der Star des Ortes.

Mit 18 beendet Gabriele Stiastny (Mädchenname Anm.) ihre Ausbildung an der Modeschule in Wien-Hetzendorf und gewinnt einen Mode-Wettbewerb. Sie gewinnt den ersten Preis: die Möglichkeit ein Jahr bei der renommierten Pariser Designerfirma Cacharel mitarbeiten zu dürfen. Danach arbeitet die Mode-Jetsetterin in Wien, Moskau, St. Petersburg, Warschau, Prag, Berlin und Minsk. Anschließend gönnt sie sich ein Jahr Auszeit in Amerika und erkundet alles zwischen Los Angeles und Washington. Im Alter von 25 beschließt sie, nach Wien zurückzukehren: „Irgendwann war das Ausland dann auch mühsam und außerdem wollte ich etwas anderes machen“, erzählt Sie im Interview mit punkt. Sie beginnt als freischaffende Kostümbildnerin.

Zwischen Ensemble-Theater und den Sets von Filmen wie „Ein fast perfekter Seitensprung“ oder Serien wie „Tatort“ und „Julia – Eine Frau geht ihren Weg“ verdient sie ihr Geld bis sie keine Lust mehr hat: „Die Leute beim Film und im Theater behandeln dich als Kostüm- oder Maskenbildner oft sehr unfair“, so die brünette Neo-Burgenländerin. Zu diesem Zeitpunkt entscheidet sie, in die Natur zu gehen und das, wie sie es nennt, „alte Wissen“ zu pflegen und weiterzugeben. Darum kauft sie mit ihrem damaligen Freund (mittlerweile Ehemann Anm.) einen Dreikanthof im burgenländischen Buchschachen und zieht aus Wien weg: „Ich wollte endlich raus aus der Stadt. Ich hatte in meiner Kindheit viel Zeit bei meiner Großmutter in Amstetten verbracht und wollte endlich wieder in der Natur und mit der Natur leben“, erklärt die quirlige Individualistin. Seit fünf Jahren lebt sie nun in dem verschlafenen Örtchen an der steirischen Grenze.

Ihren Lebensunterhalt verdient sie jetzt mit ungewöhnlichen Dingen: „Ich halte Vorträge, veranstalte Kräuter- und Kochseminare und unterrichte in der Mittelschule Kunst, Kultur und kreatives Schauspiel mit Kindern.“ Bei ihren sogenannten „Kräutersafaris“ marschiert sie mit den Teilnehmern durch die blühenden Wiesen und Gärten und erklärt, schon in Vergessenheit geratene Wirkungen von Un- und Wildkräutern, die überall wachsen. Den Wissensfundus über all die Kräuter hat sie über die Jahre aus Büchern und Seminaren angehäuft und zusätzlich absolvierte sie an der Vitalakademie eine Ausbildung für traditionelle Heilkräuterkunde.

Auf dem Dreikanthof gilt: So viel wie möglich selber machen: Egal ob Apfelsaft, Rotwein, Würste, Speck, Seifen, Kräuterkissen, Tees, Marmeladen, Schnäpse oder Badesprudel mit natürlichen Kräuteraromen. „Warum soll ich für mittelmäßige Sachen bezahlen, wenn ich mir die besten Dinge günstig selbst herstellen kann?“

Auch als Pension fungiert der Dreikanthof gelegentlich. „Mal- und Kräuterworkshops mit Robby und Gaby Seminarhof Burgenland“ heißt es auf den Flyern der beiden. Robby – Robert Aleksander Vamos – ist gebürtiger Transsylvanier und arbeitet als Lichtdesigner am Ensemble-Theater und Maler. „Wir haben wirklich sehr viel Arbeit in diesen Hof gesteckt, in den letzten fünf Jahren. Ich bin so stolz auf die Gaby. Wenn sie etwas will, dann bringt sie es auch zu Ende.“, erklärt uns der gebürtige Rumäne an Gabrieles Seite. Ihre größte Schwäche sieht er darin, dass „sie in den falschen Situationen ihren Mund manchmal nicht halten kann und oft viel zu direkt ist“.

Aber der Hof war nicht genug. Die energiegeladene Mittvierzigerin beschloss mit ihrem Mann noch ein Haus daneben zu kaufen und renovierte auch dieses vollständig. Heute ist der Hof „nur“ mehr der Veranstaltungsort und die „chill-out-zone“ im Sommer mit Pool und allem drum und dran. „Das Haus ist leichter zu heizen als die uralten Mauern des Hofes. Aber im Sommer ist es im Hof dafür angenehm kühl“ sagt Gaby Vamos.

Trotz der vielen Aufbauarbeit bemühten sich die „Zugereisten“ aber anscheinend stets um die sozialen Kontakte im kleinen Ort. Dazu gehört auch die Mitarbeit im Kulturzentrum „Luftgrobm“. Von „Romeo und Julia“ -Vorstellungen über Autoren-Lesungen bis hin zu Konzerten der deutschen Heavy Metal Band „Rammstein“ hat es dort schon wesentlich mehr gegeben als man dem kleinen Ort zutrauen würde.

Freizeit ist für den weiblichen Workaholic freilich ein Fremdwort – hat sie doch kurzerhand auch noch die Wahl zur Vorsitzenden des Verschönerungsvereins Buchschachen akzeptiert: „Da ist jetzt 25 Jahre quasi nichts gemacht worden und darum haben wir vor, und das steht auch in unseren Statuten, dass wir altes Kulturgut und Brauchtum wieder aktivieren. Zum Beispiel Korbflechten, Maibaumbänder drehen und richtige Heckenbepflanzung.“

Und falls ihr diese Rolle irgendwann nicht mehr gefällt, hat sie schon vorgesorgt: Sie hat sich mit ihrem Mann sicherheitshalber vor kurzem noch ein Haus gekauft – nur um sicherzugehen, dass es der ehemaligen Weltenbummlerin im kleinen Burgenland am Ende nicht doch noch langweilig wird.

Erzeugt mit Arclab Thumb Studio 1.5